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    Mittwoch, 19. Februar 2020, 13:51

    Der Schulfunk oder: Neues aus Waldhagen

    Während wir während meiner Grund- und Mittelschulzeit desöfteren mit Unterrichtsfilmen, meist mit dem charakteristischen IWF- Vorspann (Institut für Wissenschaft und Film in Göttingen), konfrontiert wurden, die zeitentsprechend von Filmprojektoren abgespult wurden, kann ich mich an keinen einzigen Fall erinnern, in dem der Schulfunk als Hilfsmittel der Unterrichtsgestaltung bei uns zum Einsatz gekommen wäre. Dennoch kannte ich das Medium, in den 60er Jahren vermutlich durch die nachmittäglichen Wiederholungen auf dem Radiosender WDR 3, in den 70ern dann verstärkt auch vormittags, als die zunehmende "Freiheit meiner Zeitgestaltung" als Oberschüler, Azubi und Fachhandwerker dies gelegentlich zuließ. Besonders in positiver Erinnerung verblieben ist mir die Serie "Neues aus Waldhagen", die nach damaligen Maßstäben eine Art Sozialkundeunterricht vermitteln sollte.
    Nach einigen Vorläufern in den 20er und 30er Jahren startete der Schulfunk nach Kriegsende bereits erneut im Herbst 1947 im Programm des NWDR und ab Januar 1956 auf den Vormittagsprogrammen von WDR 1 und NDR 1.
    Die erfolgreichste, große Zeit des Schulfunkprogramms lag dabei in den 50er und 60er Jahren. Um eine möglichst große Zuhörerschaft erreichen zu können, wurden die Sendungen in diesem Zeitrahmen nachmittags auf WDR 3 und NDR 3 noch einmal wiederholt.
    Das Schulfunkprogramm begann mit der instrumentalen Einleitung von Mozart´s Arie des Papageno aus der "Zauberflöte", so daß vielen Zeitgenossen, die ansonsten mit klassischer Musik wenig anfangen können, diese Sequenz in bleibender Erinnerung verblieben ist. Daneben verwendete der WDR als Vorspann die ersten Takte des 3. Satzes der 28. Symphonie von Joseph Haydn.
    Besonders bekannte und teils äußerst langlebige Serien des Schulfunks waren:
    - Neues aus Waldhagen,
    - Der Arzt spricht,
    - Der Tierfreund,
    - Lebendige Vergangenheit,
    - Aus Heimat und Welt,
    - Du bist mitverantwortlich,
    - Das Leben ringsum, sowie
    - English for juniors und English for seniors, die von den beliebten "Lehrern" Henry und Barbara eingesprochen wurden.
    Für die Lehrerschaft wurden für einige dieser Formate auch gedruckte Beihefte veröffentlicht, die heute noch bisweilen antiquarisch im Netz angeboten werden.
    Die klassischen Schulfunksendungen wurden in den 80er/ 90er Jahren von den Sendern aufgrund des geringer werdenden Zuspruchs weitgehend eingestellt (WDR 1995) oder in breitere Bildungsangebote wie "Lernzeit" (WDR) oder "Logo" (NDR) umgeformt.
    "Neues aus Waldhagen" war ein Format des Schulfunks, an das ich mich besonders gern erinnere. Die Reihe lief überdurchschnittlich lange zwischen 1955 und 1985, verfügte als 15- Minutenformat über hervorragende Drehbücher und über herausragende Sprecher, die größtenteils aus dem damaligen Ensemble des Hamburger Ohnsorg- Theaters rekrutiert wurden: Heidi Kabel (Emma Piepenbrink), Rudolf Beiswanger (Paul Piepenbrink), Otto Lüthje (Dorfschuster Ziesemann), Aline Bussmann (Käthe Ziesemann), Henry Vahl (Opa Negenborn), Heinz Lauker (Eduard Grothe), Hilde Sicks (Frau Grothe), Karl Heinz Kreienbaum (Landarzt Dr. Kraus) sowie Carl Voscherau (Bürgermeister Ludwig Kienappel).
    Gesendet wurden in 30 Jahren über 300 Folgen, deren Grundkonzept bereits 1954 von dem NDR- Schulfunkredakteur Gernot Weitzl festgelegt wurde. Der Österreicher Weitzl wollte mit dem Format Lehrer unterstützen, die bei ihren Schülern das Interesse für politische Themen zu wecken versuchten. Eingesetzt werden sollten die Sendungen in den Fächern Gemeinschaftskunde, Staatsbürgerkunde resp. Staatsbürgerliche Erziehung, so wie sie in den einzelnen Bundesländern mit unterschiedlichen Benennungen unterrichtet wurden.
    Weitzl entwickelte für das Format ein fiktives norddeutsches Dorf, bestehend aus seinem Bürgermeister, dem Wirt des "Fetten Ochsen", einem Landarzt, dem Dorfpolizisten, einigen Bauern nebst ihren Ehefrauen, die jeweils unterschiedliche Temperamente verkörperten, sowie mit Großeltern und Darstellern im Kindesalter.
    Nicht zuletzt durch die intelligent angelegten Plots und die herausragenden, sehr authentisch wirkenden Sprecher wurden die "Waldhagen"- Sendungen auch von breiteren Schichten der Bevölkerung gern gehört und zu einem Stück Heimat, das zumindest in Norddeutschland auch in unterhaltsamer Form Identität vermitteln konnte.
    Die "Probleme" stammten oft aus dem Lebensalltag der Protagonisten und konnten meist durch die Aushandlung "demokratischer Kompromisse" beigelegt werden. Auch zeitaktuelle Themen wurden damals behandelt, so z.B. in der Folge "Landarbeiter gesucht" von 1963, in der das Verständigungsproblem mit italienischen Gastarbeitern erfolgreich gelöst wurde. Weitere Themen waren z.B. die Streupflicht bei Glatteis oder die Schadenersatzfrage nach einem Unfall.
    Die letzte Sendung von "Neues aus Waldhagen" wurde am 22. März 1985 ausgestrahlt und hatte den Titel "Rufmord", worin es um angeblich schlecht ausgeführte und überteuerte Handwerkerarbeiten ging.
    Für viele Menschen der "Generation Schulfunk" insbesondere der 50er und 60er Jahre ist "Neues aus Waldhagen" in der Rückschau der Spiegel einer mehr oder weniger behüteten Kindheit, an die man sich über diese Sendungen gern zurückerinnert :thumbsup: .

    www.youtube.com/watch?v=6B2nHEmCb7E