Viele meiner Zeitgenossen verorten diese zur Kultserie gewordene Krimireihe ausschließlich in die 70er Jahre.
Das stimmt jedoch nicht ganz, da die Fälle um Kommissar Keller und seine Mannschaft schon zum Jahresbeginn 1969 als Nachfolgeformat des "Kriminalmuseums" auf Sendung gingen.
Ich war in diesem Zeitraum annähernd im besten Teenageralter und habe damals auch einzelne Episoden der Serie mitbekommen. Mir persönlich war die Reihe zu dieser Zeit aber stets zu behäbig und zu dialoglastig, kurz: mir war "zuwenig darin los". Erst Jahrzehnte später lernte ich im reiferen Erwachsenenalter die besondere Qualität zu schätzen, die die Serie ausmachte.
"Der Kommissar" lief zwischen Januar 1969 und Januar 1976 als Einstundenformat über acht Staffeln mit insgesamt 97 Episoden im Freitagabendprogramm des ZDF. Die Drehbücher stammten aus der Feder von Herbert Reinecker, der zu diesem Zeitpunkt wohl noch nicht ahnte, welchen Erfolg die Serie über die nächsten sieben Jahre haben sollte. Die Einschaltquoten stiegen schnell in ungeahnte Höhen und erreichten im Schnitt über 30 Millionen Zuschauer.
Alle Episoden wurden noch in s/w ausgestrahlt, was in einer Zeit des sich schnell durchsetzenden Farbfernsehens einigermaßen ungewöhnlich war und der Reihe ein besonderes "Timbre" verlieh.
Regie führten zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie Helmut Käutner, Wolfgang Staudte, Jürgen Goslar, Michael Verhoeven und Alfred Weidenmann.
Durch die Rolle des "Kommissars" wurde der bis daher einem breiteren Publikum eher unbekannte Schauspieler Erik Ode bundesweit bekannt und durch den Verkauf der Serie in zahlreiche Länder auch international berühmt. Reinecker beschrieb die Rolle, die er Ode zugedacht hatte,einmal so: " Der Kommissar, der bei mir im Mittelpunkt steht, ist etwa 60 Jahre alt, humorvoll und lebensklug... Die Fälle, die Kommissar Keller bearbeitet, sind weder phantastisch noch vom Geheimdienst inszeniert. Es sind Verbrechen, die überall
vorkommen. Verbrechen, die aus Eifersucht, Habgier und Neid begangen werden... Was der Kommissar tut, ist nicht geheim. Nicht einmal geheimnisvoll. Er und seine Assistenten arbeiten mit Köpfchen und List. Machen auch Fehler. In jeder Folge tritt einer der Assistenten in den Vordergrund" ( Herbert Reinecker im Interview von 1968 ).
Darum ging es in der Tat. Kommissar Keller (Erik Ode) ist ein ruhiger, älterer Kriminalbeamter, der seine Fälle mit Bedacht, präziser Beobachtungsgabe und scharfem Verstand zu lösen weiß. Charakteristisch für Keller ist eine fast väterlich anmutende Güte, die bisweilen mit einem zynischen Humor gepaart ist.
Auf das ihm zur Seite stehende Team kann sich Keller voll und ganz verlassen. Inspektor Walter Grabert (Günther Schramm) bildet durch seine Phantasie und elegante äußere Erscheinung einen gewissen Gegenpol zu Keller. Inspektor Robert Heines (Reinhard Glemnitz) besticht dagegen durch seine glasklare Logik. Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper) ist der Benjamin des Teams, wechselt 1974 nach Episode 72 zu "Derrick" und wird durch seinen Bruder Erwin Klein (Elmar Wepper) ersetzt. Auch Frauen kommen in dem Team um Kommissar Keller zumindest anfänglich nicht zu kurz. Kriminalassistentin Rehbein, "Rehbeinchen" (Helma Seitz) fungiert als Mädchen für alles und kocht laufend Kaffee, während Kriminalassistentin Helga Lauer (Emely Reuer) nur in den ersten 27 Episoden mit von der Partie ist.
Franziska Keller (Rosemarie Fendel) ist die Ehefrau des Kommissars, tritt jedoch bereits nach wenigen Folgen nicht mehr in Erscheinung.
Die Serie und ihre Darsteller wurden vielfach für ihre Leistungen ausgezeichnet, unteren anderem mit einigen "Bambis" in Silber und Gold. In der Reihe traten zahllose bekannte Schauspieler der damaligen Zeit in Nebenrollen auf, deren Aufzählung den hier gesetzten Rahmen sprengen würde.
Bis zum heutigen Tag wird die Serie auf diversen Spartenkanälen erfolgreich wiederholt und hat nach wie vor ihre treue Fangemeinde.
Zu einem Eklat kam es 1975 nach der Ausstrahlung von Episode 83, nachdem sich in Deutschland lebende Türken und auch die türkische Botschaft darüber beschwerten, daß einer der ihren in o.a. Folge einer der Täter war und "türkische Flüchtlinge in Lumpen gekleidet waren". Im Zuge der beginnenden "Political Correctness" verzichtete das ZDF daraufhin auf weitere Ausstrahlungen dieser Episode.
Bei Gesprächen mit jüngeren Menschen, die sich einzelne Folgen des "Kommissars" angeschaut haben, erstaunt immer wieder deren Feststellung, daß in diesem Format "sehr viel geraucht und getrunken wurde, und dies auch in den Reihen der Protagonisten". Mir als älterem Jahrgang war dieser Unterschied zu neueren Formaten bisher so nicht bewußt, er entspricht aber weitgehend den Tatsachen und spiegelt die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte in diesem Punkt wieder.
Zur Serie gibt es empfehlenswerte Sekundärliteratur, vor allem das Standardwerk von Gerald Grote: Der Kommissar. Eine Serie und ihre Folgen. Der Autor hat ein illustriertes Nachschlagewerk geschaffen, das keine Wünsche offen läßt und in dem auch die kleinsten Seriendetails nicht unerwähnt bleiben.
Daneben ist die Autobiographie Erik Ode´s zu empfehlen: Der Kommissar und ich.
In den Jahren 2010/11 wurden alle 97 Episoden der Reihe nach langen Verhandlungen mit den Rechteinhabern von Universum Film in vier DVD- "Filmkollektionen" veröffentlicht, so daß für Fans des "Kommissars" keine Wünsche offenbleiben. Auch auf
www.youtube.com finden sich derzeit zahlreiche Episoden in voller Länge, darunter auch die damals auf den "Index" gesetzte Folge 83.
"Der Kommissar" hat sich bis heute zu einer deutschen Kultserie entwickelt, die neben Krimifans und Fernsehnostalgikern vor allem auch Interessierte an dem Zeitgeist der frühen 70er Jahre anspricht. In einzelnen Episoden wurden seinerzeit zahlreiche zeitaktuelle Themen wie der Generationenkonflikt, der Wandel in der Jugendkultur und auch die beginnende Drogenproblematik angerissen. Somit ist die Serie auch fast 50 Jahre nach ihrer Erstausstrahlung immer noch sehenswert
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