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    Dienstag, 22. Februar 2022, 15:34

    Lehning und Wäscher

    Ein Jahr nach dem Beginn ihrer Zusammenarbeit im Jahre 1953 war Hansrudi Wäscher für seinen Verleger Walter Lehning längst zum "Mann für alle Fälle" geworden und fertigte immer wieder auch meist sehr gelungene Titelbilder für dessen Jugend- und Kriminalromane an. Als Lehning Ende 1954 auf die Schnelle drei Akim- Piccolos benötigte, um den Fängen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu entgehen, lieferte Wäscher ohne zu zögern die drei gewünschten Ausgaben von "Herr des Dschungels". Ähnliches geschah bei dem deutschen Gegenpart des US- Formats "Classics Illustrated" , den "Abenteuern der Weltgeschichte", die Lehning 1954 ebenfalls in sein Verlagsprogramm aufgenommen hatte. Als bald darauf die mit der Serie betrauten Zeichner einer nach dem anderen absprangen (gemunkelt wurde, daß dies an der mangelnden Zahlungsmoral des Verlegers lag), steuerte Wäscher für dieses Format die Hefte "Kampf mit dem Bären", "Troja in Flammen" und "Andreas Hofer" bei.
    Walter Lehning wußte als kühl kalkulierender Geschäftsmann sehr wohl, was er an seinem Hauszeichner Hansrudi Wäscher hatte. Sohn Bernd Lehning dazu: "Vom Künstlerischen her hat mein Vater die Arbeiten von Herrn Wäscher eigentlich nicht sehr hoch bewertet, da diese nur für Kinder gedacht waren. Aber daß Herr Wäscher der beste Hauszeichner von allen war, hat er dann doch wohl gemerkt. Sonst hätte er sicher Herrn Wäscher auch nicht so viele Fremdserien zeichnen lassen. So zum Beispiel die Titelbilder für alle möglichen italienischen Piccolos und Großbände...Würde mein Vater heute noch leben und die heutigen Abeiten von Herrn Wäscher sehen, hätte er sicherlich eine andere Meinung. Aber wie gesagt, damals wurde Massenware produziert und die Zeichner sollten schnell arbeiten".
    Hansrudi Wäscher: "Ich glaube, Lehning hat nie ein Heft gelesen. Er hat sich nie eingemischt, ich bekam nie irgendwelche Vorgaben. Auch wenn er eine neue Serie brauchte, schlug ich etwas vor, und dann hieß es nur: machen Sie mal. Es gab nie irgendeine Stellungnahme von seiner Seite, keine Diskussion. Wenn etwas lief, dann war es gut, und wenn es nicht lief, dann wurde es eingestellt. Lehning war der absolute Kaufmann, um etwas anderes hat er sich nicht gekümmert. Das einzige Mal, daß er mir etwas vorgegeben hat, war der Akim... Sein Führungsstil erschien mir auf jeden Fall mehr autoritär, also bestimmend, anordnend, Befehle austeilend. Mit Kritik und eigenen Initiativen drang man kaum zu ihm durch, und auch eine echte Diskussion habe ich nie erlebt. Von seinen Angestellten ließ er sich mit ´Herr Direktor`anreden. Als ich davon hörte, sagte ich zu ihm: ´Sie erwarten doch nicht, daß ich Sie ebenfalls mit Herr Direktor anrede ?!` Darauf er: ´Selbstverständlich nicht`. So war er also auch".
    Wäscher hatte in seiner aktiven Zeit bei Lehning kaum mit dem Verleger Kontakt. "Ich habe ihn selten gesehen. Ich habe die Hefte bei Frau Reuter (der verantwortlichen Redakteurin in den 60ern, d.A.) abgegeben, und nur ab und zu ist es vorgekommen, daß Lehning mal reinguckte und ´Guten Tag` sagte oder ´Machen Sie´s gut`. Ich bin jeden Montag zum Verlag gefahren, um die aktuellen Hefte abzugeben. Frau Reuter hat das dann gelesen, und ich habe da gesessen und gewartet. Nur wenn es irgendwas zu klären gab, bin ich auch mal zu Dr. Knoop reingegangen. Für den Fall, daß es irgendwo einen Fehler gab, hatte ich immer mein Reparaturköfferchen dabei. Dann kratzte ich das weg und schrieb es gleich da neu. Aber das kam selten vor, denn meine Frau hat immer alles korrekturgelesen".
    Auch zur Lehning- Verlagspolitik hatte die langjährige Mitarbeiterin Ursula Reuter durchaus ihre eigene Meinung. "Herr Lehning handelte hier meines Erachtens oft verlegerisch etwas fahrlässig, denn er machte sich die Sache relativ leicht, indem er einfach eine utopische Serie im Programm haben wollte, egal welche. Im Grunde bestimmte er alles selber. In Dingen dieser Art hat er leider meist einsame Entscheidungen getroffen. Seine Mitarbeiter wurden hierzu nicht gefragt. Marktanalysen, Testverkäufe oder dergleichen gab es jedenfalls nicht. Hauptsache es lief und war billig. Ob es beim Lesepublikum ankam oder nicht wurde vorher nicht gefragt, erst wenn es zu spät war. Er kaufte einfach etwas ein und fertig...Es ging Herrn Lehning immer nur darum, möglichst billig zu produzieren. Bei den Romanen war es ähnlich, die Autoren sollten möglichst schnell für ein Butterbrot einen Roman schreiben. Er hätte damals zwar namhafte Autoren bekommen können, aber die waren natürlich entsprechend teuer. So kam es, daß die Auflage bei den Heftromanen nachließ und Bastei und so weiter kamen mit ihren Sachen immer größer ins Geschäft".
    Ähnlich sah es auch Bob Heinz, der für Lehning die Heftserien "Pit und Alf" und "Jan Maat" zeichnete und für den Verlag der neben Wäscher wichtigste Zeichner war. "Lehning schaute immer nur auf Quantität, nie auf Qualität. Alles mußte bei ihm ganz schnell gehen, ein Comic- Heft sollte innerhalb von zwei Tagen fertiggestellt sein. Er hat immer nur gedruckt, gedruckt, gedruckt und auf den Markt geworfen und sich damit praktisch selbst Konkurrenz gemacht. Lehning wollte immer nur Billigmaterial haben. Die Stoffe hat er von irgendwelchen Agenturen übernommen, Hauptsache, es war fast umsonst".
    Wäscher empfand Lehnings weitgehendes Desinteresse an den Inhalten seiner "Bildserien" als Freiheit, er konnte mit seinen Helden tun und lassen, was er wollte, oder Abenteuer so lange laufen lassen, wie sie eben liefen. Das funktionierte in den Anfangsjahren auch sehr gut, doch inzwischen war der Lehning- Verlag nicht mehr allein auf weiter Flur. Ebenfalls seit 1953 war der Pabel- Verlag mit "Till Eulenspiegel" am Markt, aus dem schon bald "Fix und Foxi" hervorgehen sollte, dann Gerstmayer, der Serien wie "Texasreiter Hot Jerry" oder "Robinson" anbot, sowie Semrau mit "Wild West" und "Kinowa". Dazu kam der Aller- Verlag mit "Phantom" und "Buntes Allerlei", Mondial mit "Tarzan" sowie etliche kleinere Anbieter. So kam es, daß die halbe Million Exemplare,die "Akim" und "Sigurd" anfangs verkauften, bald zur Vergangenheit gehörten und die Auflagen der Piccolo- Flaggschiffe sukzessive bis auf hunderfünzigtausend Exemplare fielen.