Leitartikel in der HÖR ZU, Ausgabe 29/ 1963, Seite 2, gezeichnet "HZ"
Zur Farbe bekennen !
Dr. h.c. Alex Möller, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Süddeutschen Rundfunks, Bundestagsabgeordneter, Generaldirektor eines Großunternehmens, Finanzexperte und ein Mann, der in der deutschen Rundfunkpolitik schon mehr als einmal seine Stimme erhob, hat zu einer aktuellen Frage Stellung genommen. Er erklärte etwa folgendes:
Die Rundfunkanstalten sollten davon absehen, ein drittes Fernsehprogramm vorzubereiten. Sie sollten stattdessen im ersten und zweiten Fernsehprogramm das Farbfernsehen einführen.
Er erläuterte diesen Vorschlag mit dem Hinweis, daß Farbfernsehen nicht so teuer sei, wie allgemein angenommen werde. Die Finanzlage der Rundfunkanstalten sei zu angespannt, um ein ganz neues drittes Programm aufzubauen. Daher sollte das zur Verfügung stehende Geld zum Ausbau des ersten und des zweiten Programmes und zum Farbigwerden dieser Programme benutzt werden. Er fügte hinzu, daß allerdings der Deutschen Bundespost erhebliche Kosten durch den Umbau bzw. Neubau der Fernsehsender entstehen würden.
Dr. Möller steht mit seiner Ansicht über das dritte Fernsehprogramm nicht allein. Es wurde schon von verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen, ob wir denn wirklich noch so viel Substanz, so viel verborgene Kräfte und so viel Reserven auf allen Gebieten haben, um ein drittes Programm gut auszustatten. Es wurde dabei gefragt, ob es nicht zweckmäßig sei, erst einmal das Schulfernsehen aufzubauen und dem Nachmittagsprogramm eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Es wurde auch mit einiger Sorge darauf aufmerksam gemacht, daß durch Ankauf von ausländischen Programmen, die nicht immer Spitzenklasse seien, die Linie unserer Programme verzeichnet würde. Die Zahl der Fragen ist damit nicht abgeschlossen.
Vielleicht sollte man den Möller- Plan einmal gut durchdenken und durchrechnen. Fast zur selben Zeit, da er seinen Vorschlag machte, fand in Köln ein Podiumsgespräch zwischen amerikanischen und deutschen Fernsehleuten statt, in dem auch das Farbfernsehen in den USA gestreift wurde. Der amerikanische Journalist sagte, es wäre sicher schon weiter verbreitet, wenn es nicht mit so außerordentlich hohen Kosten verbunden wäre. Das gelte nicht nur für die Sendeseite, sondern auch für die Empfänger.
Das Thema Farbfernsehen ist vor einiger Zeit schon einmal angeschnitten worden, und zwar vom Intendanten des WDR, Klaus von Bismarck. Er hat erklärt, daß sich der WDR in den nächsten Jahren (sagen wir einmal um 1965) mit Fernsehsendungen in Farbe befassen werde. Es ist naheliegend, daß die Anstalt mit der größten Teilnehmerzahl als erste diesen Schritt unternimmt. Man wird annehmen können, daß die beiden Pläne aufeinander abgestimmt sind oder werden. Man sollte sie auf jeden Fall sorgsam durchdenken und diskutieren.
Das ZDF allerdings wird die farbige Planung etwas beklommen betrachten, da es in erheblicher Finanzklemme steckt und solche Experimente kaum verkraften kann. Die verschiedenen Fernsehproduktions- Gesellschaften werden aber neue Möglichkeiten für ihre Ateliers wittern und die Industrie für den Empfängerabsatz.