Im Jahre 1959 lief die zweite Amtszeit von Bundespräsident Theodor Heuss ab, der über alle Parteigrenzen hinweg als "Papa Heuss" in der damaligen bundesdeutschen Bevölkerung hohes Ansehen genoß.
Kurzzeitige Überlegungen, ihm eine dritte Amtszeit zu ermöglichen, wurden fallengelassen, neben verfassungsrechtlichen Gründen sprach seine angeschlagene Gesundheit sowie der Umstand einer zunehmenden Entfremdung zwischen Theodor Heuss und dem damaligen FDP- Fraktionsvorsitzenden Erich Mende dagegen.
Im Februar 1959 nominierte die SPD Carlo Schmid für das Amt des Bundespräsidenten. Ein geschickter Schachzug, denn Schmid war damals das "beste Pferd im Stall der Sozialdemokraten". Ein humanistisch gebildeter Professor, mit großbürgerlichem Auftreten, kurz: wie geschaffen für ein repräsentatives Amt. Für damalige Verhältnisse anstößig erschien allenfalls Schmid´s Privatleben; er lebte von seiner Frau getrennt.
Für die Union war klar: mit Carlo Schmid als Bundespräsident wäre die SPD binnen kurzem bei vielen bürgerlichen Wählern hoffähig. Adenauer lehnte deshalb dessen Kandidatur auch vehement ab und bezeichnete Schmid als "sozialdemokratischen Wolf in bürgerlicher Verkleidung".
Seitens der CDU wurden zu diesem Zeitpunkt mehrere Kandidaten gehandelt: der heute weitgehend vergessene Fraktionsvorsitzende Heinrich Krone, einer der engsten Vertrauten Konrad Adenauers, galt als zu spröde und öffentlichkeitsscheu. Kai- Uwe von Hassel, der damals 46-jährige Ministerpräsident von Schleswig- Holstein, erschien vielen zu jung. Als Vizekanzler Ludwig Erhard Ende Februar 1959 vorgeschlagen wurde und zunächst auch zustimmte, war allen CDU- Insidern sofort klar, wer die Fäden im Hintergrund gezogen hatte: Konrad Adenauer. Adenauer hielt Erhard für einen Lebemenschen und wollte dessen Kanzlerschaft nach seinem vorhersehbaren Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers mit allen Mitteln verhindern. Die Wochenzeitung "Die Welt" sprach daher nicht ganz unzutreffend von einem "Kronprinzenmord". Im März schlug Erhard auf Anraten seiner Freunde die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten wieder aus, und völlig überraschend ließ sich Adenauer am 7. April 1959 selbst für dieses Amt nominieren.
Adenauer wollte das Grundgesetz im "gaullistischen Sinn" auslegen, er glaubte zunächst ernsthaft, als Bundespräsident die Richtlinien der Politik weiterbestimmen zu können, was natürlich hanebüchener Unsinn war, denn anders als die "Grande Nation" hatte die Bundesrepublik Deutschland keine Präsidialverfassung. Adenauer merkte denn auch bald, daß er einen schwerwiegenden politischen Fehler begangen hatte, und zog am 4. Juni 1959 seine Kandidatur zurück. Sein Rückzieher löste innerhalb der CDU ein politisches Erdbeben aus, schockierte viele der zu Statisten degradierten Unionspolitiker und führte zu einem ungemeinen Prestigeverlust des Altbundeskanzlers. Die Krise war durchaus mehr als lediglich eine "Präsidentschaftsposse", denn sie markierte den Beginn von Adenauers politischem Machtverlust, der sich allerdings noch über vier Jahre bis zu seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers hinzog.
Am 1. Juli 1959 wählte die in West- Berlin zusammengekommene Bundesversammlung den bisherigen Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke zum zweiten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Er erhielt im zweiten Wahlgang gegen Carlo Schmid (SPD) und Max Becker (FDP) die absolute Mehrheit. Lübke war damals noch weitgehend unbekannt, und der "Spiegel" bezeichnete seine Kandidatur süffisant als "Lübkenbüßer". Doch aus einem Verlegenheitskandidaten, auf den die Union nach dem Erhard- Adenauer Debakel gestoßen war, entwickelte sich ein durchaus nicht unpolitischer Präsident, ein Streiter für den Ausbau der Entwicklungshilfe, ein Vorreiter der Umweltbewegung und einige Jahre später ein Befürworter der "Großen Koalition". Allerdings wirkte der stets etwas steif wirkende und rhetorisch oft ungeschickt auftretende Sauerländer in den dynamischen 60er Jahren rasch wie ein Relikt aus vergangener Zeit, der mit dem politisch- gesellschaftlichen Wandel nicht mehr zurechtkam. Außerdem war er ständigen Diffamierungen aus der DDR als "Schlüsselfigur der faschistischen Rüstung" und "KZ- Baumeister" ausgesetzt, und er entkräftete die Vorwürfe über seine Rolle im "Dritten Reich" auch nicht entschieden genug.