Vielen Insidern galt er als der zweitmächtigste Mann nach Walter Ulbricht und Erich Honecker. Seine lange Dienstzeit als Chef des MfS lag wohl auch darin begründet, daß er nicht nur über zahllose Informationen über renitente DDR- Bürger verfügte, sondern ebenso über Insiderwissen über die Mächtigen in der DDR- Nomenklatura, was ihn, ähnlich wie J. Edgar Hoover in den USA, fast unangreifbar machte.
Geboren wurde Erich Mielke am 28. Dezember 1907 als Sohn eines Stellmachers im Berliner Wedding. Als guter Schüler erhielt er trotz seiner proletarischen Herkunft eine Freistelle auf dem Köllnischen Gymnasium, so daß der Staat die Kosten des Schulgelds übernahm. Allerdings ging Mielke bereits nach der zehnten Klasse aus unklaren Gründen von der Schule ab und begann eine Lehre als Expedient bei der Spedition Adolf Koch in Berlin- Mitte. Ab 1927 arbeitete er in der Auslieferung der "Autofabag", die Fernsprechanlagen vertrieb und zum Siemens- Konzern gehörte. Auffallend war, daß er mit 22 Jahren immer noch bei seinen Eltern wohnte.
Im Jahre 1931 wurde Mielke im Zuge der Weltwirtschaftskrise arbeitslos und schloß sich als KPD- Mitglied dem Parteiselbstschutz an, einer bewaffneten Formation, die KPD- Aktionen absicherte, dabei aber auch Gewalttaten verübte. Am 9. August 1931 wurden zwei Berliner Polizei- Offiziere vor dem bis heute bestehenden Kino Babylon hinterrücks erschossen; an der Aktion soll auch Erich Mielke beteiligt gewesen sein, der daraufhin mit gefälschten Papieren ausreisen und zunächst in der Sowjetunion untertauchen konnte. Wegen dieses Mordes wurde Mielke Jahrzehnte später im Jahre 1993 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
In Moskau besuchte Mielke die Militärpolitische Schule der Komintern und kam ab September 1932 auf die Lenin- Schule, die als Kaderschmiede für kommunistische Nachwuchskader galt. Im Jahre 1935 wurde er dort Lektor und behielt aus dieser Zeit die prägende Erfahrung, daß sich die dortigen Schüler im Parteiauftrag gegenseitig bespitzelten.
Im Jahre 1937 schickte die Partei Mielke in den Spanischen Bürgerkrieg und er geriet 1939 nach Frankreich, wo er bei der Abschnittsleitung der KPD für Westdeutschland tätig wurde. Eine Berliner Kommunistin beschrieb ihn in dieser Zeit so: "Ein überheblicher, mäßig intelligenter, sehr arroganter Mensch..." Nach der Eroberung Frankreichs durch die Deutsche Wehrmacht blieb Mielke beim Arbeitsdienst des Vichy- Regimes, während sich die meisten Kommunisten der französischen Resistance anschlossen. Er tarnte sich als Lette "Richard Hebel" und wurde Anfang 1944 von der Organisation Todt übernommen. Mit der "OT" kehrte Mielke im Frühjahr 1945 nach Deutschland zurück, was der Legende widerspricht, er sei mit der "ruhmreichen Roten Armee" nach Berlin zurückgekehrt. Dort meldete er sich im Juni 1945 bei der KPD, wurde Leiter der Polizeiinspektion Lichtenberg und avancierte im Dezember 1945 zum Leiter der Abteilung Polizei und Justiz beim ZK der KPD (ab April 1946: SED), wo er sich das Vertrauen von Walter Ulbricht erwerben konnte. So avancierte er im April 1946 zum Vizepräsidenten der "Deutschen Verwaltung des Innern" und baute die politische Kriminalpolizei K 5 auf. Doch im Februar 1947 erging gegen ihn wegen der immer noch anhängigen Polizistenmorde von 1931 ein Haftbefehl, dessen Vollstreckung die SMAD jedoch vereitelte.
Mielkes wichtigstes Arbeitsgebiet wurden personelle Überprüfungen, da bürgerliche und sozialdemokratische Einflüsse zunehmend eliminiert werden sollten und politische Zuverlässigkeit höher als fachliche Qulifikation gewertet wurde. In diesem Zeitrahmen gründete er auch eine Familie mit der Schneiderin Gertrud Müller, die Mielke im Jahre 1948 Sohn Frank schenkte. Hinzu kam als Pflegetochter die Kriegswaise Inge Knappe.
Im April 1949 wurde Erich Mielke zum Chefinspekteur der "Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft", woraus sich im Februar 1950 das "Ministerium für Staatssicherheit" (MfS) entwickelte. Mielke wurde dadurch Staatssekretär und rückte gleichzeitig ins ZK der SED auf. Allerdings bestimmten bis Mitte der 50er Jahre weitgehend sowjetische Instrukteure die Arbeit des Ministeriums. Sie waren federführend bei der Kaderauswahl, bei den Regularien für den Dienstbetrieb und bei der Veranlassung "operativer Vorgänge". Die Führungsebene des MfS rekrutierte sich in der Regel aus altgedienten Kommunisten, bei denen die politische Überzeugung und weniger die fachliche Eignung im Vordergrund zu stehen hatte. So galten bereits westliche Kriegsgefangenschaft oder das Vorhandensein von Westverwandtschaft als Ausschlußkriterien. Dementsprechend war die Qualifikation der Mitarbeiter des MfS anfangs gering und die Fluktuation sehr groß. Die stalinistischen Säuberungen der frühen 50er Jahre gingen auch am MfS nicht spurlos vorbei, und der Terror, der von Mielke forciert wurde, wandte sich zunehmend auch gegen die eigenen Genossen, nachdem Sozialdemokraten, Christen, bürgerliche Politiker und "Kapitalisten" teilweise einer rücksichtslosen Verfolgung ausgesetzt waren.
Der 17. Juni 1953 wurde zum Menetekel für die SED- Führung und gleichzeitig zu einer Gefahr für Erich Mielke, da der Staatssicherheit nach der Niederschlagung des Aufstands vorgeworfen wurde, nicht ausreichend informiert gewesen zu sein. Fast gleichzeitig tauchten im Juli 1953 Korruptionsvorwürfe gegen Mielke auf, da dieser über sein Gehalt als Staatssekretär hinaus zwischen 1950 und 1952 45.000,- Mark erhalten habe. Weitere 10.000,- Mark der DDR habe er als "Kurkostenzuschuß" erhalten, ohne je ein Sanatorium aufgesucht zu haben. Zwar hätten die Vorwürfe das vorzeitige Ende von Mielkes Karriere bedeuten können, jedoch wurde er von Walter Ulbricht gedeckt, so daß die Ermittlungen eingestellt werden mußten. Was die Staatssicherheit in den Folgejahren so gefährlich machte, war vor allem die völlig fehlende Kontrolle durch ein Parlament, unabhängige Gerichte oder freie Medien. Dennoch flüchteten bis zum Mauerbau 1961 hunderte von unzufriedenen Mitarbeitern des MfS in den Westen, die für die westlichen Dienste zu wichtigen Informationsquellen wurden. In diesem Zeitrahmen ließ Walter Ulbricht seinen "Mann für´s Grobe" nicht bis in das Politbüro aufrücken, so daß Mielke zunächst nur Mitglied der Volkskammer wurde. In der Zeit des Mauerbaus gehörte Mielke dem Koordinierungsstab dieser Maßnahme an; bis 1989 hütete er ein entsprechenden Bildband mit Aufnahmen, die auch ihn in der Nacht zum 13. August 1961 zeigten.
Bereits Anfang 1968 litt der mittlerweile 60- jährige Mielke zunehmend unter gesundheitlichen Problemen. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten u.a. eine Hirnblutung, eine Schädigung der Herzkranzgefäße und Arteriosklerose, so daß er zunehmend überlange Arbeitszeiten vermied und arbeitsfreie Wochenenden verlebte. Im April 1971 wurde Walter Ulbricht gestürzt, Erich Mielke schlug sich rechtzeitig auf die Seite seines Nachfolgers Erich Honecker und wurde dafür belohnt. Er rückte als Kandidat und 1976 als Mitglied in das Politbüro auf, allerdings wurde in den eigentlichen Sitzungen kaum über Angelegenheiten des MfS gesprochen. Stattdessen saß Mielke nach jeder Sitzung mit Honecker und Wirtschaftslenker Günter Mittag in Vieraugengesprächen zusammen. Offensichtlich wurde , daß Mielke der zweite Mann im Staat hinter Honecker geworden war, wobei eine Rolle gespielt haben mag, daß Mielke in seinem persönlichen Tresor NS- Justizakten deponiert hatte, die dessen Rolle als angeblichen Widerstandskäpfer in der Zeit des Dritten Reiches deutlich in Frage stellten. Inwieweit Honecker davon konkrete Kenntnis besaß, ist unter Historikern bis heute umstritten.
Trotz einiger Liberalisierungsschübe war und bleib Erich Mielke Stalinist alter Schule. Zu seinen Mitarbeitern verhielt er sich distanziert, dagegen liebte er es, sich in Szene zu setzen und alle wesentlichen Entscheidungen über seinen Schreibtisch laufen zu lassen, wobei ihm sein enzyklopädisches Gedächtnis gute Dienste leistete. Im Jahre 1982 wurde er 75 Jahre alt, hielt sich weitgehend an die Weisungen seiner Ärzte, doch das Alter forderte unerbittlich seinen Tribut. Mielke verhaspelte sich zunehmend bei seinen Ausführungen, klammerte sich dennoch weiterhin an die Macht, die seine geringe Körpergöße von 163 Zentimetern auch ein Stück weit kompensieren sollte. Erich Mielke fand Gefallen an militärischem Gepränge und inspizierte sein Wachregiment wie ein Armeegeneral. Auch frönte er der Jagdleidenschaft, wobei ihm das Wild ähnlich wie bei Erich Honecker weitgehend vor die Flinte getrieben wurde.
Im Jahre 1989 war das Staatswesen der DDR weitgehend insolvent und völlig abhängig von der Vergabe neuer Kredite. Dennoch stieg die Zahl der hauptamtlichen Mitarbeiter des MfS bis Ende 1989 auf über 90.000 Personen an, hinzu kamen knapp 200.000 inofizielle Mitarbeiter (IM). Trotz allem zeigten sich im Herbst 1989 SED- Führung und auch das MfS zunehmend handlungsunfähig, zumal die ideologische Rückendeckung des großen Bruders Sowjetunion diesmal weitgehend entfiel. Nahezu ohnmächtig erlebte Erich Mielke, wie in den Folgemonaten die DDR Stück für Stück unterging. Am 17. Oktober 1989 wurde Erich Honecker entmachtet, auch Erich Mielke stimmte im Politbüro zur Überraschung aller seiner Absetzung zu. Am 13. November erfolgten vor der Volkskammer der DDR seine "letzten Worte": "Ich liebe doch alle...alle Menschen...ich setze mich doch dafür ein." Ab Oktober 1990 saß Mielke im Untersuchungsgefängnis Moabit ein und litt zunehmend an Arteriosklerose, Hypertonus, Bradykardien, Lungenfunktionseinschränkungen und Depressionen aufgrund seines völligen Machtverlustes. Dennoch wurde er im Oktober 1993 zu sechs Jahren Haft verurteilt und und wurde Ende 1995 aus dieser entlassen. Der mittlerweile 88- jährige lebte anschließend mit Ehefrau Gertrud in einer Plattenbau- Wohnung in Hohenschönhausen. Anfang 2000 kam er in ein Pflegeheim und verstarb dort am 21. Mai 2000 im beachtlichen Alter von 93 Jahren.
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