1966
Zu Jahresbeginn beginnt eines der erfolgreichsten Unterhaltungsformate für Kinder und Jugendliche der 60er Jahre: "Flipper- Die Abenteuer eines klugen Delphins", damals noch mit einem hervorragend eingedeutschten Titelsong.
Am 17. September startet die erste deutsche Science Fiction- Fernsehserie, "Raumpatrouille", die die Nation spaltet. Während jüngere Zuschauer oft begeistert sind, verspotten ältere das "Bügeleisen- Format". Eva Pflug äußerte sich später aus Sicht der Darstellerin: "Der Text war wegen der vielen fremdartigen Worte viel schwieriger zu lernen als ein Klassiker. Und ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung, was überhaupt Galaxien sind".
Im Dezember beginnt die Infoserie "Vorsicht, Falle. Nepper, Schlepper, Bauernfänger" mit Ede Zimmermann, der zu diesem neuartigen Format sagt: "Ich bin einer der wenigen Journalisten, die hoffen, daß ihnen irgendwann der Stoff ausgeht".
Wenn während der Leichtathletik- EM in Budapest DDR- Sportler geehrt werden und die Hymne "Auferstanden aus Ruinen..." erklingt, dreht die übertragende ARD den Ton ab und täuscht mit dem Schild "Tonstörung" eine Panne vor.
Mit der Verfilmung des Falles Vera Brühne gibt die ZDF Dokumentarspiel- Redaktion ein frühes Beispiel für die Vermischung von TV- Wirklichkeit und tatsächlicher Authentizität.
1967
Am 25. April 1967 wird die Beerdigungszeremonie Konrad Adenauers inklusive einer schier endlosen Schiffsreise des Sarges über den Rhein mehr als sieben Stunden ohne Pause übertragen. Es ist die bis dahin kostspieligste und aufwendigste Live- Übertragung des deutschen Fernsehens. Über 800 Redakteure, Techniker und Helfer sind beschäftigt, 57 Kameras an 18 Standorten dokumentieren die letzte Reise des ersten deutschen Bundeskanzlers. Man schätzt, daß weltweit über 400 Millionen Zuschauer daran teilgenommen haben.
Am 25. August läutet Willy Brandt auf der 25. Berliner Funkausstellung offiziell per Knopfdruck das Zeitalter des Farbfernsehens ein. In der darauffolgenden ersten Farb- Show "Der goldene Schuß" gibt es einen Wermutstropfen: statt des aufgrund privater Affären gefeuerten "Onkel Lou" übernimmt Vico Torriani das Format.
Loriot startet seine Fernsehkarriere mit Knollennasenmännlein und deftigen Parodien in der Sendung "Cartoon". Auch Richard Kimble begibt sich auf die Flucht, wenn auch nicht im gleichen Umfang wie in den USA. Jürgen Roland präsentiert erstmals mit "Dem Täter auf der Spur" ein recht anspruchsvolles Krimiformat, bei dem die Zuschauer mitraten dürfen: "Für mich ist der Fall klar - und für Sie ?".
1968
Allmählich bewegt sich die "sexuelle Revolution" auch auf deutsche Bildschirme zu. Dennoch schneidet der Bayerische Rundfunk einige zu freizügige Szenen des Amerika- Korrespondenten Dagobert Lindlau, in denen sich Vietnam-Demonstranten nackt auf einer US- Fahne räkeln, kurzerhand aus dem Beitrag. Auch der Dokumentarfilm "Die Berlinerin" mit allerlei freizügigen Szenen erregt den Unwillen des Bremer Intendanten Heinz Kerneck, der den Streifen zwei Tage vor der Ausstrahlung aus dem Programm nimmt.
Mit der filmischen Umsetzung von Hans Fallada´s "Wolf unter Wölfen" kommt erstmals nach dem Mauerbau wieder eine DDR- Produktion in das Westfernsehen. Da möchte sich auch der Bayerische Rundfunk nicht lumpen lassen und sendet im gleichen Jahr "Der geteilte Himmel" nach dem gleichnamigen Roman von Christa Wolf.
Große Trauer bei den Teilnehmern von "Was bin ich": nach "Struppi" geht jetzt auch Robert Lembkes´s Foxterrier Nummer zwo, genannt Jacky, den Weg alles Irdischen.
Werner Schwier bringt mit "Kennen Sie Kino" neuen Schwung in das bereits etwas angestaubte Quizformat und wird ab 1970 von Hellmut Lange abgelöst. Die kriselnde Filmindustrie freut sich über die Gratiswerbung durch das Konkurrenzmedium, zumal der Regisseur der Sendung der Sohn eines Frankfurter Kinobesitzers ist.
Frau Dr. Karla Wege beginnt, als erste Wetterfee überhaupt, uns über die metereologischen Kapriolen der folgenden Tage aufzuklären.
Breiter aufgestellt ist Hoimar von Ditfurth mit seinem neuen Wissenschaftsformat "Wir und der Kosmos".
ARD und ZDF beschließen die erste Gebührenerhöhung von derzeit fünf auf sechs DM ab 1. Januar 1970.
1969
Karin Tietze- Ludwig wird erstmalig zur im Lauf der Jahre überaus prominenten Lottofee. Zum ersten Mal entführt auch "Der Kommissar" Erik Ode seine Zuschauer in die Verbrechenswelt nicht nur der Münchner Schickeria.
Im Januar startet Gerhard Löwenthal sein wertkonservativ gestricktes "ZDF- Magazin". Überliefert ist ein Bonmot seines Chefredakteurs: "Polemik ist ein Wort, das ich nicht gern höre".
Am 21. Juli ist es endlich geschafft: Apollo 11 landet mit den Astronauten Armstrong, Aldrin und Collins auf dem Mond. Aus dem Publikum werden die Übertragungen teils heftig kritisiert, weil die Bildqualität zu wünschen übrig ließ und die Sender zuviele Standbilder und Schautafeln eingeblendet hätten, anstatt den Vorgang als solchen für sich sprechen zu lassen.
In der Vorweihnachtswoche läuft nach dem Rauswurf Peter Frankenfeld´s erstmals die später skandalumwobene Show "Wünsch Dir was" mit Dietmar Schönherr und Vivi Bach. Schönherr tritt mit dem Anspruch auf: "Unser Familienspiel soll alte Zöpfe abschneiden" und moderiert gelegentlich auch mit Vollbart.
Das Springer- Flaggschiff Hör Zu fragt daraufhin in einer seiner Ausgaben: "Quizmaster oder Pennbruder ?".
1970
Ab Januar macht das ZDF ernst mit seinem Vorsatz zur Sexualaufklärung. Das Format heißt nüchtern- sachlich "Informationen zur Geschlechtserziehung" und ist laut Intendant Holzamer als "ganzmenschlicher Lebenshilfe- Beitrag" konzipiert. Autor ist der Hausbiologe Dr. Gräbner, der sich durch Beiträge wie "Gefiederte Freunde" oder "Natur im Heim" qualifiziert hatte. Moderator ist der ZDF- Kirchenredakteur, der u.a. Gipsmodelle von Mann und Frau sowie echte Samenzellen unter dem Mikroskop präsentiert.
Ulrike Meinhof´s Fernsehspiel "Bambule" wird kurzfristig abgesetzt, da die Autorin mittlerweile als Terroristin gesucht wird.
Aufgrund der geänderten politischen Wetterlage in Deutschland seit Herbst 1969 wird die ARD- Wetterkarte nicht mehr in den deutschen Grenzen von 1937 präsentiert, sondern zeigt ab Mitte 1970 nur noch die Grenzen der Bundesrepublik und der DDR. Der Bund der Vertriebenen protestiert dagegen energisch, aber letztendlich erfolglos.
Der Dauerbrenner "Tatort" legt mit den Kommissaren Trimmel und Kressin los. Großmaul Kressin entpuppt sich als früher Schimanski- Vorläufer und wird aufgrund der für diese Zeit recht deftigen Dialoge bald vom Bildschirm verschwinden.
Gegen Ende des Jahres gibt es in Deutschland circa 15 Millionen Fernsehgeräte, davon sind allerdings erst rund fünf Prozent Farbfernseher. Größter Hemmschuh ist der noch hohe Preis und die eher bescheidene Farbqualität. Es ist noch ein weiter Weg bis in die späten 90er Jahre, in denen 98 Prozent der Haushalte mindestens einen TV- Empfänger besitzen.