•         *[Home] *[Fernsehen] *[Bücher] * [Comics] *[Musik] *[Alltag] * [Zeitgeschichte] *[Über mich]

    Sie sind nicht angemeldet.

    621

    Samstag, 28. September 2024, 15:30

    The American Corner - Animositäten gegenüber eingewanderten Deutschen im 19. Jahrhundert ?

    Die starke Präsenz deutscher Einwanderer im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde durchaus von nicht wenigen "alteingesessenen" Angloamerikanern mit zunehmender Sorge betrachtet. Die Nachfahren der Puritaner (und anderer früher Einwanderungsgruppen) gehörten in der Regel verschiedenen protestantischen Kirchen an und legten zumeist großen Wert auf eine strenge Auslegung der Sonntagsheiligung. Viele von ihnen waren darüber hinaus Anhänger der Abstinenzbewegung (wenn man so will, frühe "Drogengegner") und forderten dementsprechend ein Verkaufsverbot alkoholischer Getränke. Ihre Lebens- und Denkweise unterschied sich trotz ihrer ethnischen Verwandtschaft in mancherlei Hinsicht von der ihrer deutschen Nachbarn, so daß daraus eine Reihe von Vorurteilen entstanden. Deutsche Siedler wurden von den "Yankees" meist als sparsam und fleißig eingestuft und waren als Farmer und Handwerker durchaus geschätzt. Mit Mißfallen wurde jedoch zur Kenntnis genommen, daß viele deutschstämmige Siedler den Sonntag eher zur Erholung als zur spirituellen Erbauung nutzten und sie dementsprechend in ihren zahlreich vorhandenen Wirtshäusern einem guten Sonntagstrunk durchaus nicht abgeneigt waren.
    Die seitens der Deutschen den "Yankees" zugeschriebenen Charaktereigenschaften lassen sich dagegen etwas vereinfacht mit dem Oberbegriff "smart" umschreiben. Dieses Adjektiv hat zahlreiche Bedeutungen, die sich die Angloamerikaner teilweise selbst auf den Leib schrieben, wie intelligent, geschickt, flink oder schlagfertig. Deutsche verbanden damit oft eher eine negativere Konnotation dieses Wortes wie z.B. geschäftstüchtig oder gerissen, was dazu führte, daß nicht wenige deutschstämmige Einwanderer zwar eine hohe Achtung vor dem amerikanischen Regierungssystem hatten, jedoch oft weniger vor ihren angloamerikanischen Nachbarn, deren Wesen sie schnell durchschauten. Mitunter behaupteten sie sogar, die politischen Ideale der Neuen Welt besser zu verstehen als die Angloamerikaner selbst, die oft eher durch Zufall in diesem Land geboren waren. Der 4. Juli diente manchen Deutschamerikanern dazu, ihren Patriotismus für die neue Heimat mitunter sogar provokativ zur Schau zu stellen.
    Die von der angloamerikanischen Bevölkerung abweichenden Lebensformen deutscher und auch irischer Einwanderer, Konkurrenzneid auf dem Arbeitsmarkt insbesondere in Wirtschaftskrisen und vor allem die Zugehörigkeit zur katholischen Amtskirche (ein rundes Drittel der deutschen Einwanderer gehörte dem katholischen Glauben an) führten unter Teilen der "Einheimischen" zu Überfremdungsängsten und zu frühen Forderungen nach Einwanderungsbeschränkungen. Ihren Höhepunkt erreichte die fremdenfeindliche Stimmung Anfang der 1850er Jahre, als die "American Party" (Know- Nothing Bewegung) unter dem Motto "Wessen Land ist dies eigentlich ?" (Whose country is that anyway ?) beachtliche Wahlerfolge verbuchen konnte. In vielen aufblühenden Städten dieser Jahre mit starkem deutsch- irischem Bevölkerungsanteil kam es zu physischen Auseinandersetzungen, beispielsweise bei den Chicagoer "Bierkrawallen" (beer riots) von 1855, wo es zu Schlägereien zwischen der Polizei und deutschen Immigranten kam, die eine Beschneidung ihres Rechts auf Bierkonsum befürchteten. Mitunter kam es sogar zu Fällen von Lynchjustiz, wie in West Bend/ Wisconsin, wo ebenfalls 1855 Deutsche einen nativistischen Angloamerikaner lynchten, der wiederum vorher einen Deutschen getötet hatte.
    Der politische Einfluß der "Know- Nothing Bewegung" war zwar nur von kurzer Dauer, dennoch blieben zahlreiche Vorurteile gegenüber deutschen Einwanderern bestehen. Was zum Teil auch darin begründet lag, daß viele Deutsche insbesondere in Regionen mit hohem deutschen Bevölkerungsanteil wie Pennsylvania noch Jahrzehnte nach ihrer Einwanderung wenig Neigung zeigten, die englische Sprache zu lernen oder ihren Lebensstil zu ändern. Stark ethnisch geprägte Viertel wie "Little Germany" in New York oder "Over the Rhine" in Cincinnnati/ Ohio, deutsche Schulen, Zeitungen und Kirchengemeinden erleichterten deutschen Neuankömmlingen zwar ungemein den Zugang zur Neuen Welt, zugleich wurden sie jedoch gelegentlich auch als "Zeichen mangelnder Anpassungsbereitschaft" misinterpretiert.
    Zwar identifizierte sich der Masse der deutschen Einwanderer mit einer der beiden großen amerikanischen Parteien. Kleine Gruppen von "Forty Eighters" und späterer Immigranten, die z.B. aufgrund von Bismarcks Sozialistengesetz auswanderten, wurden jedoch von den Angloamerikanern mit Argwohn betrachtet, da sie sozialistische Ideen verbreiteten, die als unvereinabr mit den amerikanischen Grundwerten betrachtet wurden. Ihren Höhepunkt erreichten amerikanische Aktivitäten gegen deutsche Aktivisten im Jahre 1866 in der sogenannten "Haymarket Affair" von Chicago, als deutsche Anarchisten beschuldigt wurden, Polizisten durch Bomben getötet zu haben. Obwohl schlüssige Beweise fehlten, wurden sie in einem Schauprozeß zum Tode verurteilt und hingerichtet.
    Um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert stellten die deutschen Einwanderer und ihre Nachkommen mehr als zehn Prozent der amerikanischen Bevölkerung dar. Die meisten Siedler aus den Staaten des Deutschen Bundes und späteren Deutschen Reiches waren nun schon seit Jahrzehnten im Land, und angesichts geringerer Nachzüge gab es weniger neue Impulse für ein ethnisches Gemeinschaftsleben. Eine gewisse Heterogenität der Deutschamerikaner, die ökonomisch- gesellschaftliche Integration und die zunehmende Akkulturation führten insbesondere in den urbanen Ballungszentren zu einem schleichenden Verfall der ursprünglichen nationalen Identität. Immer mehr deutschsprachige Zeitungen stellten ihr Erscheinen ein, und immer weniger Gottesdienste wurden in der Sprache Martin Luthers abgehalten. Organisationen wie der "Deutsch- Amerikanische Nationalbund" wahren zwar bemüht, diesen Wandel zu stoppen, ihre kulturellen Aktivitäten wurden jedoch von vielen bereits assimilierten Deutschamerikanern eher mit Gleichgültigkeit wahrgenommen. Der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg im April 1917, in dem urplötzlich alles Deutsche als landesverräterisch unter Verdacht gestellt wurde, kam für viele bestens integrierte Deutschamerikaner wie ein Schock, er stellte z.B. durch die nun häufig vorgenommene Anglisierung der Familiennamen jedoch weniger eine spontane Abkehr von der ethnischen Identität als vielmehr eine starke Beschleunigung eines allmählichen Verfallsprozesses dar.

    622

    Sonntag, 29. September 2024, 16:06

    The American Corner - Carl Schurz, einer der prominentesten Deutschamerikaner

    Nicht zuletzt durch die Tatsache, daß er als erster gebürtiger Deutscher Mitglied des Senats der Vereinigten Staaten und zwischen 1877 und 1881 Innenminister unter der Administration von Rutherford B. Hayes war, blieb sein Name als einer der prominentesten "Forty Eighter", die in die Vereinigten Staaten emigrierten, in nachhaltiger Erinnerung.
    Geboren wurde Carl Schurz am 2. März 1829 als Sohn des Landschullehrers Christian Schurz und seiner Ehefrau Marianne in Liblar bei Köln, das heute zu Erftstadt gehört. Zwischen 1839 und 1846 besuchte er das Marzellengymnasium in Köln, mußte dieses jedoch aus finanziellen Gründen wieder verlassen und zog nach Bonn, wo er im Juli 1847 als "Externer" die Reifeprüfung bestand und im Anschluß an der Universität Bonn Philologie und Geschichte studierte.
    Während der Märzrevolution von 1848 nahm Schurz am gescheiterten Sturm auf das Siegburger Zeughaus teil, begab sich 1849 über die Pfalz nach Baden und wurde dort aktiver Aufständischer. Nach der Niederlage gegen preußische Truppen flüchtete er zunächst nach Frankreich und von dort in die Schweiz. Im August 1850 reiste er unter falschem Namen nach Berlin, befreite dort seinen früheren Professor Kinkel aus dem Zuchthaus Spandau und floh mit diesem zunächst nach Schottland, das sie im Dezember 1850 erreichten. Im Juli 1852 heiratete er in London Margarethe Meyer, die im Jahre 1856 in der Freien Gemeinde zu Watertown/ Wisconsin den ersten Kindergarten der Vereinigten Staaten gründete.
    Im Jahre 1852 emigrierte Carl Schurz in die Vereinigten Staaten, siedelte sich zunächst in Philadelphia an und wurde dort drei Jahre später Mitglied im Bund der Freimaurer, deren Loge "Herman Lodge No. 125" er angehörte. 1856 siedelte er nach Watertown /Wisconsin über und betätigte sich dort als Landverkäufer. Bald entwickelte sich Schurz zu einem der einflußreichsten Führer der aufstrebenden Republikanischen Partei und hatte großen Anteil an deren Wahlsieg von 1860, nicht zuletzt durch seinen Einfluß auf das Wahlverhalten vieler dort lebender Deutschamerikaner. Aus diesem Grund ernannte ihn der frischgewählte Präsident Abraham Lincoln nach seinem Amtsantritt zum amerikanischen Botschafter in Spanien. Bereits 1862 kehrte dieser jedoch wieder in die Vereinigten Staaten zurück, um nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs in die Unionsarmee einzutreten. Unter der Führung von Franz Sigel stieg er als Ungedienter innerhalb weniger Monate in den Rang eines Generalmajors und zum Divisionskommandeur der Freiwilligenarmee auf. Dies hatte durchaus seinen Grund, denn Schurz befehligte zumeist deutsche Freiwillige, die u.a. an den Schlachten von Bull Run, Chancellorsville, Gettysburg und Chattanooga teilnahmen. Insbesondere nach dem Debakel von Chancellorsville suchte die Nordstaatenpresse die Schuld bei den ethnisch- deutschen Einheiten, deren Angehörige oft erst kurz zuvor in die Vereinigten Staaten eingewandert waren. Eine zur Klärung dieser Anwürfe von Schurz angeregte Kriegsgerichtsverhandlung fand jedoch nie statt.
    Im Jahre 1864 verließ Schurz kurzzeitig die Armee, um am Wahlkampf der Republikaner für die Wiederwahl Abraham Lincolns teilzunehmen. Nachdem er im letzten Jahr des Bürgerkriegs vorwiegend mit Stabsaufgaben betreut war, verließ er im Jahre 1865 die Armee und gründete in Detroit/ Michigan die republikanische Zeitung "Detroit Post". 1867 ließ er sich in St. Louis/ Missouri nieder, wo er Miteigentümer und Redakteur der deutschsprachigen "Westlichen Post" wurde. 1869 wurde er in den Senat der Vereinigten Staaten gewählt, in dem er den Bundesstaat Missouri zwischen 1869 und 1875 vertrat. Dort trat er insbesondere gegen die immer stärker grassierende Korruption unter der Administration von Ulysses S. Grant auf. 1877 berief der neugewählte amerikanische Präsident Rutherford B. Hayes Schurz als Innenminister in sein Kabinett. Dort machte er sich um die rasche Beendigung der Wirren in den Südstaaten nach dem Ende des Bürgerkriegs verdient und leitete einen grundsätzlichen Wandel der Indianerpolitik der Vereinigten Staaten ein, indem er diese zunehmend einer zivilen Verwaltung unterzuordnen begann. In seiner Zuständigkeit versuchte er auch, die amerikanische Bevölkerung stärker für die Erhaltung der Wälder zu sensibilisieren, nachdem dort ein zunehmender Raubbau um sich gegriffen hatte.
    Zwischen 1888 und 1892 wurde Schurz Vertreter der "Hamburg- Amerikanischen Packetfahrt- Actiengesellschaft" (HAPAG) in New York und war im Anschluß bis 1901 Präsident der "National Civil Service Reform League". Bis zu seinem Tod im Jahre 1906 blieb er politisch engagiert und entwickelte sich zunehmend zu einem Gegner der immer mehr globalen und imperialistischen Neuorientierung der amerikanischen Außenpolitik vor allem unter Theodore Roosevelt, der den Einflußbereich der USA ab 1998 nach Ostasien und Lateinamerika ausweitete. Dabei griff er die Forderung "Right or wrong- my country !" von Stephen Decatur jun. auf und prägte sie in folgenden Satz um: "Our country, right or wrong. When right, to be kept right, when wrong, to be put right".
    Carl Schurz starb am 14. Mai 1906 in New York und wurde dort auf dem Sleepy-Hollow-Cemetery beigesetzt. Mark Twain verfaßte einen Nachruf auf den Revolutionär, Soldaten und Politiker in "Harper´s Weekly". 1913 wurde eine Bronzestatue von Karl Bitter in New York City, Morningside Drive, Ecke 116th Street zu seinem Gedächtnis errichtet.

    www.youtube.com/watch?v=zronYdfxQrY

    623

    Montag, 30. September 2024, 15:26

    The American Corner - Xenophobie in den USA ?! Über die Know Nothing- Bewegung

    Die hier zu besprechende Gruppierung gelangte insbesondere in den 1850er Jahren als nativistisch ausgerichtete "American Party" zu einer gewissen Bedeutung, die sich dezidiert gegen Einwanderer aus nichtprotestantischen Ländern wie den katholisch geprägten Teilen Deutschlands und Irlands aussprach. Wie kam es dazu ?
    Gegen Ende der 1840er Jahre entstanden in den Vereinigten Staaten verschiedene nativistische, antikatholische Geheimgesellschaften, aus denen später die "Know Nothing"- Bewegung hervorging. Bereits 1849 gründete der New Yorker Anwalt Charles Allen den "Order of the Star Spangled Banner", in den nur protestantische Männer angelsächsischer Herkunft Zugang erhielten. Im Jahre 1854 gründeten dann Anhänger dieser und ähnlicher Organisationen unter Edward Zane Judson, besser bekannt unter dem Namen Ned Buntline, die "American Party". Die Bezeichnung "Know Nothing" entstammte dem Schwur von Mitgliedern dieser Bewegung, bei Befragungen Externer mit dem Satz zu antworten: "I know nothing." Eine ihrer Kernforderungen war, den Protestantismus als dominante Religion zu bewahren und den Handel und Konsum alkoholischer Getränke stärker zu kontrollieren.
    Hauptzweck der "American Party" war jedoch, den Einfluß insbesondere von deutschen und irischen Neueinwanderern sowie der mit diesen oft verbundenen katholischen Kirche zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang kam es es wiederholt zu gewalttätigen Ausschreitungen von Migliedern der "American Party" gegen Katholiken, vor allem gegen Iren, aber auch gegen deutsche Einwanderer katholischer Konfession. Hintergrund war, daß nach der großen Hungersnot in Irland und der gescheiterten Revolution von 1848 in Deutschland Hunderttausende von Iren und Deutschen in die Vereinigten Staaten auswanderten, in deren Städten die eingesessene Bevölkerung dadurch teilweise zu einer Minderheit wurde, was wiederum zu teils erheblichen sozialen Spannungen führte. Die "Know Nothings" behaupteten, daß die katholische Masseneinwanderung Teil einer päpstlichen Verschwörung sei, um die Werte der Vereinigten Staaten zu untergraben und ihre freiheitlichen Institutionen zu unterwandern. Wegen ihrer Gehorsamspflicht gegenüber dem Papst seien Katholiken grundsätzlich nicht zur Teilhabe an einem demokratischen Staatswesens geeignet. Solche und ähnliche Verschwörungstheorien wurden unter anderem von dem bekannten Erfinder Samuel Morse oder dem presbyterianischen Geistlichen Lyman Beecher verbreitet. Wiederholt griffen gewalttätige Mobs katholische Kirchen insbesondere in den Neuenglandstaaten an, da diese von der katholischen Masseneinwanderung besonders betroffen waren. Katholische Emigranten sollten nicht zu politischen Ämtern zugelassen werden, die nötige Aufenthaltsdauer bis zu einer Einbürgerung von fünf auf fünfundzwanzig Jahre erhöht und das Wahlrecht von dem Bestehen eines englischen Sprachtests abhängig gemacht werden.
    Als der eigens von der "American Party" aufgestellten Präsidentschaftskandidat Millard Fillmore die Wahl von 1856 haushoch verlor und die neu gegründete Republikanische Partei sich einige Forderungen der "Know Nothings" zu eigen machte, spalteten sich diese auf und verloren nach dem Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs im Jahre 1861 weitgehend an Bedeutung. Die meisten "Know Nothings" hatten bereits 1860 den Wahlkampf Abraham Lincolns unterstützt und gingen praktisch eine Koalition mit der ihn tragenden Republikanischen Partei ein. Einige Anhänger der "American Party" schlossen sich dagegen der recht kurzlebigen "Constitutional Union Party" an, deren Präsidentschaftskandidat John Bell jedoch gegen Abraham Lincoln keine Chance hatte. Im Verlauf des Amerikanischen Bürgerkriegs verloren dann die anti- irischen und anti- katholischen Parolen der "Know Nothings" weitgehend an Bedeutung, da auch irisch- katholische Einheiten und deutsche Katholiken auf der Seite der Union kämpften.

    www.youtube.com/watch?v=qA5i4AQ7lB8
    www.youtube.com/watch?v=CmcILAbURZM

    624

    Dienstag, 1. Oktober 2024, 15:26

    The American Corner - Franz Sigel, badischer Revolutionär und Unionsgeneral

    Neben Carl Schurz sowie den badischen Revolutionären Hecker und Struve dürfte Franz Sigel zu den prominentesten "Forty Eighters" gehören, die in die Vereinigten Staaten emigriert sind, auch wenn seine dort zur Schau gestellten militärischen Fähigkeiten durchaus nicht unumstritten waren. Darüber aber weiter unten mehr.
    Geboren wurde er am 18. November 1824 in Sinsheim als viertes von sieben Kindern des Oberamtmannes Franz Moritz Sigel und seiner Frau Maria Anna. Zwischen 1838 und 1840 besuchte er das Gymnasium in Bruchsal und anschließend die Kadettenschule in Karlsruhe, wo er im Herbst 1843 graduierte. Im Anschluß wurde er in das 4. Badische Infanterieregiment nach Mannheim versetzt, dankte dort jedoch im Herbst 1847 ab und plante ein Studium in Heidelberg, dem jedoch die revolutionären Ereignisse im Großherzogtum Baden zuvorkamen.
    Franz Sigel stellte im Jahre 1848 in Baden zunächst ein Freikorps von fünfhundert Mann auf und beteiligte sich an dem letztendlich erfolglosen "Heckerzug". Nach dem Gefecht bei Günterstal und dem Sturm auf Freiburg lösten sich Sigels Einheiten bereits weitgehend auf, und dieser begab sich zunächst in das Schweizer Exil. Nach dem erneuten Aufflammen der Badischen Revolution im darauffolgenden Jahr wurde Sigel Kriegsminister im Kabinett unter Lorenz Brentano, wurde im Gefecht bei Waghäusel verwundet und floh im Juli 1849 erneut in die Schweiz. Nach seiner dortigen Ausweisung im Jahre 1851 hielt er sich zunächst in London auf und emigrierte am 1. Mai 1852 von Southampton aus in die Vereinigten Staaten. In New York betätigte er sich zunächst als Lehrer an Privatschulen und wurde Oberst in der staatlichen Miliz. Im Jahre 1856 begab er sich nach St. Louis, wo er zunächst die Stelle eines Geschichts- und Mathematiklehrers am "Deutsch- Amerikanischen Institut" annahm und 1860 zum Direktor der öffentlichen Schulen in St. Louis ernannt wurde.
    Nach dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs übernahm Franz Sigel den Befehl über das 3. Missouri- Infanterieregiment, das fast ausschließlich aus Deutschen bestand, und wurde im Mai 1861 zum Oberst befördert. Im Juli 1861 erlitt Sigels Einheit beim "Gefecht bei Carthage" eine erste Niederlage gegen konföderierte Milizen, die jedoch gleichzeitig die Rekrutierung von deutschstämmigen Freiwilligen für die Unionsarmee beförderte. Wegen Sigels Beliebtheit bei vielen Deutschamerikanern ernannte ihn Abraham Lincoln im August 1861 zum Brigadegeneral des Freiwilligenheeres. Nach einer weiteren verlorenen "Schlacht an Wilsons Creek" verfestigte sich bei der Führung der Unionsarmee Sigels Ruf, zwar über eine hervorragende militärtheoretische Ausbildung zu verfügen, jedoch gleichzeitig große taktische Schwächen bei der praktischen Umsetzung zu haben. Darüber hinaus habe er die Disziplin der ihm unterstellten Truppen nicht immer aufrechterhalten können, und seine logistischen Maßnahmen galten oft als mangelhaft. Dennoch erwarb sich Sigel Verdienste dadurch, daß er eine große Zahl deutschstämmiger Einwanderer, darunter zahlreiche emigrierte "Forty Eighters", für den Eintritt in die Unionsarmee gewinnen konnte. Deren in "Denglisch" verfaßtes Kampflied "I´m going to fight mit Sigel" wurde zu einem der populärsten Lieder des Bürgerkriegs. Für Abraham Lincoln war Franz Sigel in erster Linie als Wahlkampfhelfer von Interesse, der zahlreiche Deutschamerikaner für dessen Sache einzunehmen wußte. Vorwiegend aus diesem Grund wurde Sigel trotz heftiger Kritik vieler Unionsgeneräle immer wieder ein Kommando übertragen.
    Trotz dieser Einschränkungen war Sigel als Offizier durchaus auch erfolgreich, so durch die gewonnene "Schlacht von Pea Ridge" im Jahre 1862, in der er zwei von vier Unionsdivisionen befehligte und wodurch Missouri endgültig für die Union gesichert werden konnte. Dennoch blieben Auseinandersetzungen mit dem Oberbefehlshaber der Unionsarmee, General Halleck, nicht aus, was zu Sigels Abschiedsgesuch führte, welches er jedoch zunächst wieder zurückzog. Ab Juli 1862 befehligte er das Erste Corps der Virginia- Armee, nahm unter John Pope an dessen Nord Virginia- Feldzug teil und wurde in der "Zweiten Schlacht von Bull Run" verwundet. Den Einsatz bei der "Schlacht von Fredericksburg" verpaßte Sigel´s Korps, worauf er erneut Rücktrittsgesuche einreichte, die schließlich im Februar 1863 akzeptiert wurden.
    General Halleck schob den ungeliebten Sigel schließlich auf ein Kommando im Osten Pennsylvanias ab. 1864 wurde er auf Befehl von Abraham Lincoln, der die Unterstützung der Deutschamerikaner bei seiner Wiederwahl benötigte, Befehlshaber im Wehrbereich West Virginia und erhielt von General Grant sogar ein neues Feldkommado. Dennoch wurde er wieder einmal in der "Schlacht bei New Market" von General Breckinridge geschlagen und daraufhin auf Drängen von General Halleck abgelöst. Im Juli 1864 kommandierte er die Garnison von Harpers Ferry und wurde trotz taktisch kluger Maßnahmen beim Herannahen konföderierter Einheiten unter General Early von Grant durch General Albion P. Howe ersetzt.
    Im Mai 1865 quittierte Sigel seinen Dienst bei der Unionsarmee, um als Privatier in Baltimore eine deutsche Zeitung herauszugeben, den "Baltimore Wecker". 1866 zog er schließlich nach New York, um sich dort als erfolgreicher Zeitungsverleger zu betätigen. So gab er das "Deutsche Volksblatt" heraus und war bis zu seinem Tod Redakteur des "New York Monthly". Zwar kandidierte er im Jahre 1869 für die Demokratische Partei für das Amt des Staatssekretärs von New York, unterlag aber in den Wahlen. 1871 wurde er für die Republikaner zum Standesbeamten (Register) von New York gewählt. 1880 setzte er sich für die Wahl des demokratischen Präsidentschaftskandidaten General Hancock ein. Zwischen 1885 und 1887 wurde er von Präsident Grover Cleveland zum Pensionsagenten für New York City ernannt.
    Franz Sigel starb am 21. August 1902 im Stadtteil Bronx, New York City, und wurde auf dem dortigen "Woodlawn Cemetery" bestattet. Ihm zu Ehren wurden Reiterstandbilder im Forest Park, St. Louis, sowie auf dem Riverside Drive, Ecke 106th Street in Manhattan, New York, errichtet.

    www.youtube.com/watch?v=rmb9W2liG_U

    625

    Gestern, 15:57

    The American Corner - Henry Villard (Heinrich Hilgard), vom Tunichtgut zum Eisenbahnmagnaten

    Geboren wurde Heinrich Gustav Hilgard am 10. April 1835 in Speyer als Sohn des Juristen Gustav Hilgard und dessen Ehefrau Lisette. Nachdem der Vater im Jahre 1839 als Staatsanwalt an das Appellationsgericht in Zweibrücken versetzt worden war, zog auch die komplette Familie dorthin, und Sohn Heinrich besuchte dort ab 1841 die Grundschule. Zwei Jahre später wechselte er auf die vierklassige Lateinschule und im Jahre 1847 auf das Gymnasium. Während des "Pfälzischen Aufstandes" im Mai/ Juni 1849 fiel der Schüler bei seinem Religionslehrer und gleichzeitigem Stadtpfarrer in Ungnade, weil er bei einem gemeinsamen Gebet die Fürbitte für den König vom Bayern verweigerte. Aus diesem Grund wechselte er bis 1850 auf das "Collège" in Pfalzburg und besuchte im Anschluß das Gymnasium in Speyer, wo er auch sein Abitur machte. Anschließend studierte er zunächst am Polytechnikum und auch an der Universität München und wechselte 1853 an die Universität Würzburg, um dort Jura zu studieren, jedoch entsprach auch dieses Studium nicht seinen Vorstellungen.
    Während Sohn Heinrich immer noch nach Orientierung suchte, machte sein Vater inzwischen weiter Karriere und nahm mittlerweile die geachtete Position eines Bezirksgerichtspräsidenten in Zweibrücken ein. Der Sohn fürchtete aufgrund seiner Orientierungslosigkeit den gerechten Zorn seines Vaters, lieh sich daraufhin Geld und machte sich auf den Weg nach Hamburg, von wo er in die Vereinigten Staaten auswanderte und am 13. Oktober 1853 weitgehend mittellos und ohne ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache in New York ankam. Zwar hatte er Verwandte in Illinois, jedoch teilten diese ihm mit, daß "der ungeratene Sohn, der ohne Wissen und Willen des Vaters nach Amerika gekommen ist, nicht von seinen Verwandten empfangen zu werden wünschte, ehe sie deutlich über die Gründe unterrichtet wären, welche ihn nach Amerika geführt hätten". Schließlich gelangte Heinrich Hilgard 1854 doch noch nach Belleville / Illinois, wo sich sein bereits 1835 ausgewanderter Onkel Theodor Hilgard seiner annahm.
    Heinrich Hilgard verbesserte daraufhin seine Englischkenntnisse, anglisierte seinen Namen in Henry Villard und wandte sich zunächst journalistischen Tätigkeiten zu. Bereits 1856 übernahm er das deutschsprachige "Volksblatt" in Chicago und erlebte den Amerikanischen Bürgerkrieg zwischen 1861 und 1865 als Kriegsberichtserstatter. Nach Kriegsende heiratete er Fanny Garrison, die Tochter von William Lloyd Garrison, der als dezidierter Gegner der Sklaverei bekannt war. Im Anschluß konzentrierte sich Villard auf das prosperierende amerikanische Eisenbahnwesen, wurde in den Folgejahren Präsident mehrerer Bahngesellschaften und war im Jahre 1883 maßgeblich an der Fertigstellung der "Northern Pacific Railroad" beteiligt. Als Partner des Erfinders Thomas Alva Edison finanzierte er die wirtschaftliche Verwertung von dessen Erfindungen und war gleichzeitig Gründer von "General Electric".
    Mittlerweile zu erheblichem Wohlstand gekommen, vergaß er nicht seine alte Heimat und stiftete Zweibrücken ein Waisenhaus, unterstützte finanziell den Bau der Gedächtniskirche in Speyer, eines Gymnasiums und des Diakonissenkrankenhauses, dessen Hausgeistlicher Karl Anton Scherer ein alter Schulfreund von Villard war. Im Jahre 1895 wurde er aufgrund seiner Stiftungen zum Ehrenbürger von Speyer ernannt.
    Heinrich Hilgard / Henry Villard starb am 12. November 1900 in Dobbs Ferry / New York, im Alter von 65 Jahren.

    www.youtube.com/watch?v=fuYsSDhU69c
    www.youtube.com/watch?v=fNR1SqUEaXY