Daß ein glückloser General trotz aller Fehlschläge zum modischen Trendsetter wird, kommt in der Militärgeschichte eher selten vor. Ein Gegenbeispiel bot Ambrose Burnside (1824- 1881), seines Zeichens Nordstaatengeneral während des Amerikanischen Bürgerkriegs. Wenige Jahre zuvor wurde es im Krimkrieg insbesondere auf britischer Seite Mode, sich einen Vollbart stehen zu lassen. General Burnside übernahm diese Mode und erfand seinen eigenen Stil, indem er seine Kinnpartie glattrasierte und nur die Koteletten möglichst weit und buschig wachsen ließ, womit er die anglo- amerikanische Barbiermode durch den Begriff "Sideburns" erweiterte. Burnside galt als ausgesprochener Neuengland- Gentleman, der in West Point ausgebildet wurde und nach Einsätzen im Krieg gegen Mexiko und an der westlichen "Frontier" in der freien Wirtschaft sein Glück versuchte. Seine Erfindung eines Spezialkarabiners erwies sich jedoch als untauglich und hätte Burnside fast wirtschaftlich ruiniert; auch der Versuch eines Einstiegs in die Politik scheiterte zunächst. Eine lukrative Beschäftigung fand er dennoch als Vorstandsmitglied einer der damals zahlreichen Eisenbahngesellschaften und profilierte sich daneben als Milizkommandeur des US- Bundesstaates Rhode Island.
Nach dem Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkriegs im Jahre 1861 erhielt er zunächst den Rang eines Colonels. Einige erfolgreiche Aktionen trugen ihm im März 1862 seine Beförderung zum Generalmajor ein, womit er zu einem der ranghöchsten Unions- Kommandeure auf dem Kriegsschauplatz östlich der Appalachen wurde. Der Zufall wollte es, daß Burnsides Vorgesetzter der Potomac- Armee George McClellan war, mit dem er vor Ausbruch des Krieges bei der "Illinois Central Railroad" zusammengearbeitet hatte. Im Vergleich zu dem eher unterdurchschnittlichen Burnside hatte McClellan West Point als einer der Besten seines Abschlußjahrgangs absolviert und hielt sich beinahe für eine Reinkarnation des kleinen Korsen Napoleon I. Mit Hilfe seines Organisationsgeschicks reorganisierte er die Potomac- Armee und formte aus ihr eine schlagkräftige Truppe, die an Größe und Ausrüstung der konföderierten Army of Northern Virginia unter General Robert E. Lee deutlich überlegen war. Allerdings fehlten McClellan im Vergleich zu Napoleon I. eine gute Portion Intuition, Aggressivität und vor allem Risikobereitschaft im Felde. Stets war ihm der Gegner vermeintlich zu stark, das Wetter wohl zu schlecht, die Munitionsvorräte noch unzureichend oder die Kavallerie nicht ausreichend einsatzbereit, so daß die Liste von McClellans Versäumnissen allmählich immer länger wurde. Zwar gelang es ihm im September 1862, General Robert E. Lees Invasion von Maryland zu stoppen und diesem am Antietam eine taktische Niederlage beizubringen, aber die von Lincoln geforderte nachhaltige Offensive verweigerte er mit Vehemenz.
Im November 1862 verlor der amerikanische Präsident endgültig die Geduld mit seinem stets zaudernden General und ersetzte ihn durch Burnside, der darüber jedoch alles andere als erfreut war, da er sich der Verantwortung für eine über einhunderttausend Mann starke Armee nicht gewachsen fühlte.
Zunächst jedoch erwies sich Burnside in seinem taktischen Vorgehen im Vergleich zu McClellan als erstaunlich offensiv und setzte seine Armee zügig in Richtung Richmond /Virginia in Marsch, der damaligen Hauptstadt der Konföderierten Staaten von Amerika. General Robert E. Lee schien zunächst überrumpelt, und die Nordstaatenverbände erreichten sehr schnell den Fluß Rappahannock gegeüber dem Städtchen Fredericksburg. In der Eile hatte man jedoch vergessen, Pontons zur Überbrückung des Flusses mitzuführen. Die eine Woche, die ihre Nachführung in Anspruch nahm, gab den zahlenmäßig unterlegenen Südstaateneinheiten Zeit, ihre Stellungen auf dem Hochufer bei Fredericksburg auszubauen. Trotz dieses großen logistischen Fehlers hielt Burnside weiterhin an seiner Grundidee fest, Lees Einheiten frontal anzugreifen, denn "dies würde diesen am meisten verblüffen".
Am 13. Dezember 1862, einem kalten Wintertag, griffen die Unionseinheiten wie gefordert frontal an. Burnside wies sein Zentrum an, den Gegner zunächst durch Feuerüberlegenheit zu binden, während der rechte Flügel Lees Verbände in der Flanke aufrollen sollte. Erst nachdem dies geschehen war, sollte ein konzentrierter Großangriff aller Einheiten die konföderierten Verbände vernichten. Möglicherweise waren es zweideutige Befehle, die den zuständigen Unionskommandeur davon abhielten, seine gesamte Truppe in den Kampf zu werfen. Zwar gelang es General George Gordon Meade, die konföderierte Linie zu durchbrechen, aber Lee gelang es, diese Lücken durch die Heranführung von Reserven wieder zu stopfen und die Lage an seiner linken Flanke zu stabilisieren. Nördlich davon rückten mittlerweile auch die anderen Unionseinheiten vor und gelangten zu Marye´s Hights, einem Hügel, dessen Hang von einem Sumpf durchzogen war und auf dem ein Hohlweg hinter einer soliden Steinmauer den konföderierten Infanteristen gute Deckung bot. Wiederholt griffen die Truppen der Nordstaaten an, um jedes Mal vom gezielten Feuer der Südstaatler zurückgeworfen zu werden. Schließlich bildeten die Gefallenen von vierzehn Brigaden der Nordstaaten einen regelrechten Wall vor der Steinmauer, ohne daß ein Durchbruch gelungen wäre. Mit dreizehntausend Mann an Toten und Verwundeten waren die Verluste der Unionstruppen mehr als dreimal so hoch wie die der konföderierten Verbände.
Burnside nahm schließlich die äußerst verfahrene Situation zur Kenntnis und erlitt daraufhin fast einen Nervenzusammenbruch. Zunächst wollte er an der Spitze von Reserveeinheiten am 14. Dezember 1862 nochmals angreifen und konnte davon durch seine Offiziere nur mühsam abgehalten werden. Daraufhin wagte er einige Tage später nochmals einen taktischen Vormarsch, der allerdings nach starken vorangegangenen Regenfällen buchstäblich im Schlamm stecken blieb, wo Artilleriegespanne bis zu den Achsen einsanken und viele Soldaten ihre Stiefel einbüßten. Von der Sinnlosigkeit weiterer Aktionen überzeugt, gab Burnside schließlich auf, und demoralisiert zog die Potomac- Armee in ihr Winterlager.
Wenige Wochen darauf ersetzte der amerkanische Präsident Burnside durch Joseph Hooker und versetzte den glücklosen General auf den westlichen Kriegsschauplatz, wo sich Burnside bei der Verteidigung des strategisch wichtigen Knoxville/ Tennessee halbwegs rehabilitieren konnte. Bei der Belagerung von Petersburg im darauffolgenden Jahr sah er sogar durchaus Chancen, mit einem gewagten Unternehmen zu einem Kriegshelden der Union aufzusteigen. Bei dieser Aktion handelte es sich um die berühmt- berüchtigte "Kraterschlacht", als die Unionspioniere dreieinhalb Tonnen Pulver unter den konföderierten Stellungen zündeten, gefolgt von einem derart dilettantischen Angriff der Unionsverbände, so daß Robert E. Lee den Angriff nicht nur erfolgreich abwehren, sondern die entstandene Lücke auch rasch wieder schließen konnte.
Die amerikanische Öffentlichkeit verzieh ihrem glücklosen General und wählte Burnside nach Kriegsende zum Gouverneur von Rhode Island, später wurde er sogar Senator und zum ersten Präsidenten einer Vereinigung, die noch viel von sich reden machen sollte, der "National Rifle Association".
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