•         *[Home] *[Fernsehen] *[Bücher] * [Comics] *[Musik] *[Alltag] * [Zeitgeschichte] *[Über mich]

    Sie sind nicht angemeldet.

    561

    Dienstag, 6. August 2024, 15:43

    The American Corner - William Penn und die frühe deutsche Einwanderung nach Nordamerika

    Pennsylvania war in der britischen Kolonialzeit Nordamerikas das weitaus wichtigste Gebiet deutscher Einwanderer. Da ein nicht geringer Teil von ihnen aus der Pfalz stammte, bürgerte sich der Begriff "Palatines" (Pfälzer) als Sammelbegriff für deutsche Immigranten im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert ein.
    Schätzungsweise einhunderttausend Deutsche wanderten bis zur Unabhängigkeit der USA nach Britisch- Nordamerika aus. Das Gros der deutschen Migranten stammte aus Gegenden, wo statt des im Römisch- Deutschen Reiches üblichen Anerbenrechts, bei dem nur der Haupterbe die Hofstelle übernahm und dessen Geschwister abgefunden wurden, die Realteilung üblich war, was zu einer immer stärkeren Zersplitterung der Anwesen führte. Dies führte zu einer größeren wirtschaftlichen Krisenanfälligkeit und einer entsprechend stärkeren Auswanderungsbereitschaft. Materielle Not allein war jedoch nicht die alleinige Erklärung für Auswanderungsschübe, viel mehr war darüber hinaus intensive Werbung seitens interessierter Regierungen, von Großgrundbesitzern, Reedern und Kapitänen notwendig, um die ganz überwiegend noch agrarisch geprägten Menschen dieser Zeit zu mobilisieren.
    Die Gegenden am Mittel- und Oberrhein galten den Werbern dieser Jahre als besonders vielversprechende Gebiete, da sie eine relativ hohe Bevölkerungsdichte aufwiesen und die Landesherren aufgrund der territorialen Zersplitterung in Duodezfürstentümer die Tätigkeiten der Werber nur schlecht unterbinden konnten.
    Die Popularität Pennsylvanias unter deutschen Auswanderern war vor allem auf die Tätigkeit des Koloniegründers William Penn (1644- 1718 ) zurückzuführen. Penn war ein wohlhabender englischer Quäker, der aufgrund der Verfolgung seiner Religionsgemeinschaft in den 1670er Jahren eine Siedlung in Nordamerika plante, die von religiöser Toleranz und politischer Freiheit geprägt sein sollte. So reiste er u.a. zweimal nach Deutschland, um dort für sein Siedlungsprojekt zu werben. Unter anderem predigte er 1677 in Kriegsheim bei Worms, wo sich Mennoniten und Quäker niedergelassen hatten. Die Gelegenheit zur Verwirklichung von Penns Plänen ergab sich, als der britische König Karl II. ihm zur Begleichung einer Schuld in Höhe von sechzehntausend Pfund ein riesiges Stück Land als "Deed" in Nordamerika übertrug. In zahlreichen Werbeschriften machte Penn daraufhin potentielle Siedler auch in Deutschland mit seinem "Holy Experiment" bekannt. Der Jurist Franz Daniel Pastorius entschied sich daraufhin zur Auswanderung und fand eine Gruppe von Mennoniten und Quäkern in Krefeld, die sich ihm anschlossen. Pastorius und dreizehn Familien erreichten am 16. August 1683 Philadelphia an Bord des Schiffes "Concord", woraufhin sich die kleine Gruppe in der Nähe von Philadelphia niederließ und "Germantown" gründete. Bald folgten ihnen weitere fünfzig Familien, unter anderem aus dem bereits erwähnten Kriegsheim, so daß Germantown bereits im Jahre 1691 zur Stadt ernannt wurde. Viele der Einwanderer waren Weber, und so bildete sich bald eine woll- und tuchverarbeitende Industrie heraus, die Produkte in so guter Qualität herstellte, wie man sie sonst nur aus England importieren konnte.
    Die Nachricht von dem "Heiligen Experiment" in Pennsylvania verbreitete sich rasch in den Teilstaaten des Römisch- Deutschen- Reichs, und in den darauffolgenden Jahrzehnten fanden insbesondere Angehörige von drangsalierten Religiongemeinschaften dort eine neue Heimat. Seit 1710 sind in Pennsylvania Schweizer Mennoniten nachweisbar, denen bald zahlreiche Glaubengenossen aus der Pfalz folgten. Dunkerbaptisten kamen erstmals 1719 ins Land, Schwenkfelder im Jahre 1734, ein Jahr später die Mährischen Brüder. Die große Mehrheit der Deutschen in Pennsylvania war jedoch lutherisch oder reformiert, während deutsche Katholiken zunächst kaum in die Neue Welt auswanderten, sondern sich eher Richtung Ungarn orientierten.
    In den darauffolgenden Jahrzehnten kam es zu einer kontinuierlichen Auswanderung insbesondere aus dem südwestdeutschen Raum, die in wechselnder Intensität bis zum Unabhängigkeitskrieg anhielt. Die Quäkerkolonie William Penns wurde dabei zum wichtigsten Anlaufpunkt in Nordamerika. Zwischen 1727 und 1740 registrierten die Hafenbehörden von Philadelphia achtzig und in den darauffolgenden fünfzehn Jahren 159 Schiffe mit deutschen Auswanderern. Nach einer Unterbrechung durch den Siebenjährigen Krieg erreichten weitere 88 Schiffe Philadelphia. Die in Schüben verlaufende Migration deutscher Siedler fand zwischen 1749 und 1754 ihren Höhepunkt; allein im Jahre 1749 trafen siebentausend Immigranten ein, was zu Überfremdungsängsten unter der ursprünglich rein englischen Bevölkerung Pennsylvanias führte, denen niemand Geringerer als Benjamin Franklin mit einer drastischen Tirade gegen die integrationsresistenten "Pfälzer Bauernlümmel" (Palatine Boors) Ausdruck verlieh, die naturgemäß der englischen Sprache (noch) nicht mächtig waren.
    Insgesamt betrug der Gesamtanteil der Deutschstämmigen bei der ersten US- Volkszählung im Jahre 1790 ein knappes Zehntel (8,6 %), wobei Pennsylvania mit 33 % (!) den weitaus höchsten Wert aufwies, gefolgt von Maryland (12 %), New Jersey (9 %) und New York (8%). Kleinere Kontingente fanden sich dagegen in den Südstaaten und den damals noch jungen Siedlungen westlich der Appalachen.

    562

    Gestern, 16:14

    The American Corner - Die Hölle an Bord : Reisebedingungen der Auswanderer im 18./19. Jahrhundert

    Viele Auswanderungen in die "Neue Welt" wurden nicht nur durch Berichte von Freunden und Verwandten angeregt, sondern auch durch sogenannte "Neuländer". Diese meist illegal arbeitenden Werber zogen durch zahlreiche deutsche Dörfer und ermutigten im Auftrag von Reedern aus Rotterdam oder London junge Menschen oder ganze Familien zur Auswanderung, indem sie das Leben in Amerika in den leuchtendsten Farben schilderten. Dies stieß bisweilen auf große Resonanz bei Bauern oder Handwerkern, die oft genug am Rande des Existenzminimums lebten, so daß ganze Gruppen oder auch Großfamilien zur Auswanderung angeregt wurden.
    Die Reise galt gemeinhin als überaus beschwerlich und langwierig. Bereits bei der Ankunft in Rotterdam, wohin sich die meisten Auswanderungswilligen zu Fuß begaben, waren viele von ihnen mehr oder weniger mittellos. Um die Überseepassage zu finanzieren, verdingten sich daher viele Emigranten als sogenannte "Redemptioners", was bedeutete, daß sie sich nach ihrer Ankunft in Amerika verpflichteten, mehrere Jahre ohne jede Bezahlung für einen Dienstherrn zu arbeiten. Im Gegenzug bezahlte dieser das Geld für die Überfahrt.
    Die sechs- bis achtwöchige Reise mit Segelschiffen nach Amerika erfolgte nicht selten unter katastrophalen Bedingungen. In Rotterdam und anderen Häfen wie Bremerhaven wurden die "einfachen Passagiere" in das Zwischendeck eingepfercht, das eigentlich für den Transport von Waren ausgelegt war. Dies führte aufgrund der langen Reisedauer zu einer großen Belastung der Auswanderer. Mangel an Frischluft, eine völlig unzureichende Hygiene und verdorbene Lebensmittel führten oft zu Krankheiten, die mitunter tödlich endeten. Ein anschauliches Bild der Zustände bot der Württemberger Gottlieb Mittelberger im Jahre 1750. Auf seinem Schiff starben während der Passage 32 Kinder, und er schrieb über die Überfahrt:
    "Während der Seefahrt aber entstehet in denen Schiffen ein jammervolles Elend, Gestank, Dampf, Grauen, Erbrechen, mancherley Seekrankheiten, Fieber, Ruhr, Kopfweh, Hitzen, Verstopfungen des Leibes, Geschwulsten, Scharbock, Krebs, Mundfäule und dergleichen, welches alles von alten und sehr scharf gesalzenen Speisen und Fleisch, auch von dem sehr schlimmen und wüsten Wasser herrühret, wodurch sehr viele elendiglich verderben und sterben. Dieser Jammer steiget alsdann aufs höchste, wann man noch zwey bis drey Tag und Nacht Sturm ausstehen muß, dass man glaubt samt Schiff zu versinken und die so eng zusammen gepackte Leute in den Bettstatten dadurch übereinander geworfen werden, Kranke wie die Gesunde, manches seufzet und schreiet: Ach ! Wäre ich wieder zu Hause und läge in meinem Schweinestall. "
    Nach der Ankunft in der Neuen Welt wurden die meisten Einwanderer, wie bereits erwähnt, vom Kapitän an den neuen Dienstherrn übergeben. Familien wurden dadurch oft auseinandergerissen und fanden mitunter nie wieder zusammen. Diese Zustände herrschten bis in das frühe 19. Jahrhundert und gelten vielen heutigen Zeitgenossen als überaus grausam, hatten aber auch ihre guten Seiten. Viele Auswanderungswillige hätten sich ansonsten nicht die kostspielige Reise nach Amerika leisten können und wären in ihrem sozialen Elend im alten Europa verblieben. Das Abhängigkeitsverhältnis gab den Einwanderern zudem die Chance, sich in ihrer neuen Umgebung allmählich zurechtzufinden, bevor sie nach einigen Jahren völlig auf sich selbst gestellt waren. Die "Redemptioners" wurden von ihren neuen Arbeitgebern meist durchaus anständig behandelt, da Amerika damals noch sehr dünn besiedelt war und Arbeitskräfte in Handwerk und Landwirtschaft dringend gebraucht wurden. Hinzu kam, daß die damaligen Gesetze den "Redemptioners" durchaus eine Reihe von Rechten einräumten und sie nach dem Ablauf ihrer Dienstzeit eine Abfindung erhielten. Seit 1764 leistete zudem die "Deutsche Gesellschaft von Philadelphia" eingewanderten Landsleuten, die in Not geraten waren, materielle und juristische Hilfe.